Ausstellung

Königin der InstrumenteSeit 2012 befindet sich in unserer Kirche eine Ausstellung, die den Zustand der Orgel und ihre Bedeutung beschreibt und Informationen über ihren Erbauer gibt.

Die Königin der Instrumente

Seit 1827 gibt es sie. Substantiell fast vollständig erhalten ist das Frühwerk des bedeutenden Orgelbauers Johann Friedrich Schulze und zieht die Fachwelt an. An der Erarbeitung des Orgelkonzeptes hat  der berühmte Weimarer Orgeltheoretiker, Johann Gottlob Töpfert mitgewirkt und die Umsetzung revidiert.
Den Orgelprospekt entwarf der Architekt Clemens Wenzeslaus Coudray. Das Sachzeugnis  und seine Geschichte rückt so in einen Zusammenhang von außergewöhnlicher kulturgeschichtlicher Bedeutung.

Uns liegen die Dispositionen von 1825 und das Erstgutachten von 1827 vor. Dr.Dr.Markus Vette, Prof. Dr. Rolf Bothe und Albrecht Lobenstein veröffentlichten neue wissenschaftliche Betrachtungen.


Wie es ihr geht

ErsatzpfeifenVon den Ersatzpfeifen im Prospekt, dem elektrischen Windversorger und dem Verlust der Posaune 16 abgesehen, ist sie in ihrer bauzeitlichen Substanz erhalten geblieben. Die Trakturen wurden versetzt. Die Orgel ist stark verschmutzt, Metallpfeifenwerk schwer beschädigt, Trakturdrähte korrodiert, Kanzellen gerissen und die Balgbelederung verbraucht.

Für die Wiederherstellung ist die grundlegende und umfassende Restaurierung der Orgel und des Orgelraumes nötig. Es besteht die einmalige historische Chance der Rückführung in den historischen Zustand von 1827 und damit auch zum rechten Gebrauch, damit „die Gemeinde zu Rastenberg sich des Vortrefflichen, welches die Orgel bietet, auch wirklich erfreuen könne“.  


Ihre besondere Bedeutung

Größtes erhaltenes Werk aus der  frühen Schaffensperiode von Johann Friedrich Schulze. Eine der am besten erhaltenen Orgeln des Orgelbaumeisters.

Erste nachweisbar in Zusammenarbeit mit Johann Gottlob Töpfer neu gebaute Orgel, die die Klangvorstellungen Töpfers in jener Zeit zeigt.

Unikate Verbindung von Orgelprospekt und Kirchenarchitektur durch Goethes Freund, Clemens Wenzeslaus Coudray.

Prototyp der klassizistischen Schulze-Prospekte, die bis in die 1840er Jahre für dessen Werkstattstil typisch wurde.

Sie hat eine qualitätsvolle Substanz mit einer geradezu idealen frühromantischen Disposition und Klanggebung.

Soli Deo Gloria


Wie sie einzuordnen ist

Sie trägt bereits Merkmale einer ausgereiften Schulze-Orgel mit einem kraftvollen, brillanten und sogar durchdringendem Pleno (mit vollen Registern). Entstanden mitten in der Zusammenarbeit mit Töpfer zur Umgestaltung des Pleno in der Stadtkirche Weimar. Der künstlerische Eigenwille des Orgelbauers kam an den folgender Orgeln wieder mehr zum Tragen.

Starker Winddruck mit der typischen Intonation auf offenen Pfeifenfüßen lässt einen grandiosen und monumentalen Orgelklang nach der Restaurierung erwarten. Trotz späterer Umbauten sind heute noch 90% der Klangsubstanz und 100% des Gehäuses und der Technik erhalten.

Diese besondere Bedeutung erlangt sie nicht nur als orgelbauerisches Denkmal, sondern auch als lebendiges Musikinstrument mit einem ausgeprägten, farbenreichen frühromantischen Klang. 


Denk mal

Ein Kunstwerk, wie es eine gute Orgel ist, wird von ihrem Schöpfer stets mit einer bestimmten künstlerischen Idee entworfen und in einer bestimmten optischen Erscheinung, klanglichen Aussage und technischen Ausstattung umgesetzt.

Dieser Urzustand stellt einen geschlossenen, einheitlichen, authentisch künstlerischen Zustand dar.

Diese Orgel von Johann Friedrich Schulze ist kein Museumsstück, bei dem der Istzustand ein Dokument der Historie ist, sondern sie ist ein lebendiges Musikinstrument, das für aktive Musik gebraucht wird und daher auch die Funktionsmerkmale aufweisen muss, mit denen es ursprünglich versehen war. 

Auf die ursprüngliche Schlüssigkeit und damit auf die künstlerische  Aussagekraft soll nicht verzichtet werden.


Ihr Erbauer

Johann Friedrich Schulze (1793-1858) gehörte zu den außergewöhnlichsten Persönlichkeiten des deutschen Orgelbaus im 2. Viertel des 19. Jahrhunderts. Neben Eberhard Friedrich Walcker ist er einer der beiden führenden Orgelbauer dieser Zeit. Er hat maßgeblich zur Entwicklung und Ausprägung des Klangideals der deutschen hochromantischen Orgel beigetragen. Seine stilprägenden Orgelbauten bereiteten den Weg für die großen Leistungen Friedrich Ladegasts und Wilhelm Sauers nach 1850 und für seine Söhne.

Schulze hat einen wesentlichen Beitrag zu den noch heute geltenden Orgelbautheorien von Prof. Johann Gottlob Töpfer geleistet, in dem er dessen Vorstellungen mit eigenen künstlerischen Anregungen formte und bereicherte. Seine Söhne beeinflussten im 3. Viertel des 19. Jahrhunderts in entscheidender Weise den englischen Orgelbau, was keiner der übrigen Großmeister des deutsch-romantischen Orgelbaus geschafft hat.

Die überragende künstlerische Persönlichkeit zeigt sich in einem stetigen Suchen nach neuen Wegen des Klangs und technischer Lösungen. Mit Modellorgeln und einem Orgelsaal war er 1820 mit seiner Produktionsweise schon weit seiner Zeit voraus. Die Werkstatt beschäftigte vor der Mitte des 19. Jahrhunderts  bis zu 30 Mitarbeiter. 145 Neubauten und größere Umbauten gab es zwischen 1815 und 1858. Dabei war auch ein Modell für die Weltausstellung 1851 in London.

Sein Schaffen kann in zwei Phasen geteilt werden. Die frühe Schaffensphase von 1815-1840 als Übergang von der Früh -zur Hochromantik und die späte Schaffensphase ab 1840 bis 1858
als Ausformung des hochromantischen Klangideals.

Die Rastenberger Orgel stellt einen ersten Höhepunkt in der ersten Schaffensphase dar:
Eine Orgel, die bereits deutlich Merkmale der hochromantischen Orgel aufweist, aber zugleich die Tradition der Frühromantik noch nicht verlassen hat.

 

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